Essen, im Oktober 2015
Wald Positionspapier Essen 2015
o Wegen ELA Aussetzen der Fällungen über das nächste Forsteinrichtungswerk hinaus
Der Sturm ELA hat in Essen Verwüstungen hervorgerufen, die erst in einem Zeitraum von mehreren Forsteinrichtungen wieder ausgeglichen sein werden. Deshalb sollte auch in größeren Zeiträumen
gedacht werden und - von begründeten Ausnahmen abgesehen - das begonnene Fällmoratorium von vornherein entsprechend längerfristig, mindestens 15 Jahre, gelten.
o Räumen der Waldinnenflächen unterlassen
In diesem Punkt möchten wir die spontane Entscheidung von Grün und Gruga, das Totholz in größerem Umfang liegen zu lassen, ausdrücklich unterstützen und Ausnahmen nur in sehr begrenztem Umfang
akzeptieren.
Totholz, auch liegendes, ist ein wichtiger Lebensraum im Wald. Außerdem schützt Totholz, vor allem das aus Ästen und Zweigen, den Boden vor Austrocknung und Erosion und bietet der nachwachsenden
Baumgeneration ausreichend Nährstoffe sowie Schutz vor Wildverbiss für eine erfolgreiche Jugendphase.
Auch Flächen, die für die Waldpädagogik genutzt werden, sollten nur im Ausnahmefall und sehr eng begrenzt an sehr wenigen Stellen geräumt werden. Vorgesehene Ausnahmen sollten mit den
Naturschutzverbänden abgestimmt werden.
o Aufforstung in Waldinnenflächen unterlassen
In diesem Punkt wünschen wir uns eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit, um den Forderungen großer Teile der Bevölkerung nach schneller Wiederaufforstung in großem Umfang fachliche Argumente (und
nicht nur die finanzielle Frage) entgegen zu halten.
Statt aktionistischer Wiederaufforstung sollten vor allem im Hinblick auf den Klimawandel die „Chancen“ durch ELA genutzt und auf die genetische Variabilität der Naturverjüngung gesetzt werden. In
den letzten 200 Jahren wurden die Saatbäume überwiegend nach wirtschaftlichen Kriterien wie Zuwachsraten oder geradem Wuchs ausgewählt. Um den bodenständigen Baumarten eine Anpassung an sich
ändernde Standort- und Klimaverhältnisse zu ermöglichen, muss wieder eine möglichst breite genetische Basis genutzt werden. Dazu überlässt man einfach die Zigtausend Nachkommen jedes Baumes,
insbesondere aus autochthonen (dem Standort entstammenden) Beständen, der natürlichen Auslese. Klima und Umwelt werden dann die am besten Angepassten heranwachsen lassen. So können Buchen, Eichen
und Eschen ihre Potenziale als Arten einer Waldgesellschaft nutzen und weiterhin unsere Waldökosysteme aufbauen.
Wie überall, wo man Windwurfflächen sich selbst überlässt, wird die erste Baumgeneration von anderen Arten als Buche und Eiche bestimmt. Das ist aus ökologischer Sicht von Vorteil, denn der
Boden wird von den schnell wachsenden Pionierarten sofort vor Erosion und Austrocknung geschützt.
Wenn die Buche und andere Arten der Schlussgesellschaft dann zum Zuge kommen, bilden sie ein Waldinnenklima aus, das sich und das direkte Umfeld besonders gut „kühlt“. Davon profitieren nicht nur
hitzeempfindliche Tier- und Pflanzenarten, sondern auch der in wärmer werdenden Sommern Erholung suchende Mensch.
Falls dies an einzelnen Stellen (z.B. aufgrund starker Bodenverdichtung) nicht funktionieren sollte, ist dann erst und nur im kleinen Rahmen auf eine Aufforstung zurückzugreifen.
o Habitatbaumkataster forciert weiter entwickeln
Hier möchten wir die Strategie der Forstverwaltung ausdrücklich unterstützen und wünschen uns gezielte Öffentlichkeitsarbeit, um der Bevölkerung die Schutzziele näher zu bringen.
Gerade in den Tausenden durch ELA vorgeschädigten Bäumen können wertvolle Morschungen und Höhlungen entstehen. Auch in Waldbereichen, in denen die Verkehrssicherheit gewährleistet werden muss,
lassen sich instabile Bäume durch Rückschnitt wieder hinreichend sicher machen. Der hierfür zu leistende Aufwand ist durch den Nutzen für die Biodiversität gerechtfertigt.
o Aufbau eines ELA-Lehrpfads
Nach dem Vorbild des „Kyrill-Lehrpfades“ im Siegerland, eingerichtet von „Wald & Holz“, schlagen wir die Einrichtung eines „ELA-Lehrpfades“ vor. Es wird dort auf sehr überzeugende und
anschauliche Weise dokumentiert (Fotos beim BUND vorhanden!), wie nach durch ein Naturereignis entstandenen großflächigen Zerstörungen die natürliche Entwicklung einer „Erholung“ in verschiedenen
Sukzessionsstadien abläuft. Darin liegt eine Chance, öffentliches Verständnis zu wecken für „Liegenlassen“ und für Naturabläufe allgemein und speziell im Wald. Der Lehrpfad könnte sicher auch
weniger aufwändig als der „Kyrill-Lehrpfad“ gestaltet werden. Bei Planung und Gestaltung bietet der BUND seine Unterstützung an (einschlägige Erfahrung vorhanden).
o Wegerückbau
An diesem Thema arbeiten Forstverwaltung und Naturschutzverbände seit Jahrzehnten und stoßen dabei trotz Öffentlichkeitsarbeit oft auf wenig Verständnis in der Bevölkerung, so dass man leider
davon ausgehen muss, dass viele „Waldnutzer“ kaum Bereitschaft zeigen, ihr Verhalten zu ändern.
Da viele Waldinnenflächen wegen der zahlreichen Wege flächig der Verkehrssicherungs- pflicht unterliegen, ist eine deutliche Reduktion der Wege unverzichtbar.
Die Öffentlichkeitsarbeit muss intensiviert und es müssen evtl. neue Strategien entwickelt werden, um den Wegerückbau auch durchzusetzen. Es ist herauszustellen, dass auf vielen Flächen der Wald
nur dann erhalten werden kann, wenn die Begehung und damit die Wege eingeschränkt werden. Gerade im Zuge des Klimawandels werden die Extremwetterlagen zunehmen und die Verkehrssicherungspflicht
einen noch größeren Einfluss auf Ökosystem und Erscheinungsbild des Waldes gewinnen.
Auch sollten Mittel gefunden werden, die zahlreichen Trampelpfade im Wald zu unterbinden.
o In Zukunft deutlich geringere, seltenere und auf geringere Flächen beschränkte Eingriffe
An diesem Punkt unterscheiden sich die Planungen der Forstbehörden und die heutige Einschätzung des BUND Essen, des NABU Ruhr und der NAJU. Daher sollen die Argumente hier etwas ausführlicher dargestellt werden.
Die Frage, warum der Wald in einem Ballungsraum ökonomischen Rahmenbedingungen unterliegen muss, stellen sich BUND, NABU und NAJU schon seit langem. Der Druck des Klimawandels wird dieses Problem in Zukunft verstärken.
1. für eine Erhöhung der Referenz- bzw. Prozessschutzflächen auf > 10% der städtischen
Waldfläche;
2. für eine Vergrößerung dieser z. Zt. meist sehr kleinen Einzelflächen
(Altholzinseln); die „ELA-Flächen“ bieten sich zweifellos dafür an vielen Orten an. Diskussionen im vergangenen Jahr zeigten, dass wir uns in diesen Punkten mit der Forstverwaltung bereits nahe kommen.
3. für eine Abkehr vom ausschließlichen Konzept des Erholungs-Dauerwaldes für die gesamten Essener Waldungen.
BUND, NABU und NAJU haben diesem Konzept ursprünglich zugestimmt,
sehen inzwischen aber, dass die daraus abgeleitete Häufigkeit und Intensität der Eingriffe eine natürliche Entwicklung nahezu verhindern. Der Hiebssatz sollte gegenüber dem bisher gültigen
deutlich verringert werden, die Häufigkeit auf maximal 1x/Forstbetriebsplan (10 Jahre) bei älteren Beständen (älter 80 Jahre) begrenzt werden. Das reduziert die Rückeschäden, die
Bodenverdichtung und die Auswirkungen auf das Waldinnenklima und lässt der natürlichen Entwicklung mehr Raum.
4. für den Erhalt bzw. Wiederaufbau von Buchen-Hallenwäldern
BUND, NABU und NAJU setzen sich ausdrücklich für den Erhalt von Buchen- Hallenwäldern ein. Angesichts der Tatsache, dass Buchen-Hallenwälder (Wälder mit klarer Dominanz älterer – 100 bis 200 jähriger – Rotbuchen) und die auf sie zwingend angewiesenen Rote-Liste-Arten wie z.B. Schwarzspecht, Hohltaube und Abendsegler in Deutschland ihren Verbreitungsschwerpunkt aufweisen, fällt uns die Aufgabe zu, das Ökosystem Buchen-Hallenwald langfristig zu schützen. Eine Umwandlung in jede Art von Plenterwald steht diesem Ziel diametral entgegen. Daher sind aus Naturschutzgründen die Flächen zur Umwandlung strikt zu begrenzen bzw. in Zukunft ist die Entwicklungsphase Buchen-Hallenwald wieder stärker zu fördern.
BUND Bund für Umwelt und Natur e.V. Kopstadtplatz 12 45127 Essen www.vuz-essen.de/bund |
NABU Naturschutzbund Ruhr e.V. Regionalverband für Essen und Mülheim Waldlehne 111 Email: info@nabu-ruhr.de www.nabu-ruhr.de |
NAJU Naturschutzjugend Essen/Mülheim e.V. Möllhoven 62 Tel. 0201 - 6718 88 Email: info@naju-essen.de www.naju-essen.de |
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